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Klimawandel und Platzmangel: Sind Aargauer Stadtbäume gestresster als jene auf dem Land?

Grünflächen

Leben Stadtbäume ungesünder als jene auf dem Land?

Stadtbäume werden täglich von verschiedenen Stressfaktoren wie Abgasen und Hitze sowie mechanischen Schäden bedroht. Dabei erbringen sie trotzdem viele wichtige Ökosystemleistungen. Wie viel härter haben sie es wirklich im Vergleich zu Bäumen in weniger besiedelten Gebieten?

Im Aargau mussten in jüngster Zeit immer wieder Stadtbäume gefällt werden. Etwa in Aarau und Baden. Die Gründe: Krankheiten oder Schädlingsbefall. Das wirft die Frage auf, ob Stadtbäume durch die besonderen Herausforderungen des urbanen Raums stärker gefährdet sind als Bäume in ländlichen Gebieten.

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Bäume in unseren Städten dienen nicht nur der visuellen Verschönerung. Sie erbringen zahlreiche sogenannte Ökosystemleistungen. Das bedeutet konkret, dass sie die Luftqualität verbessern, die Temperatur regulieren, Schadstoffe filtern sowie CO2 und Regenwasser absorbieren. Neben den positiven Effekten auf die Umwelt und unser körperliches Wohlbefinden können Bäume auch unsere psychische Gesundheit beeinflussen. «Wir kommen aus der Natur. Wenn wir den Beginn der Industrialisierung als Beginn der Urbanisierung definieren, dann leben wir weniger als 0,01 Prozent der Menschheitsgeschichte in urbanisierten Gebieten», erklärt Jerylee Wilkes-Allemann, Dozentin für Wald- und Umweltpolitik an der Berner Fachhochschule, im Gespräch mit ArgoviaToday. Demzufolge sei unser Körper darauf ausgelegt, in der Natur zu sein und nicht im urbanen Bereich.

Das Wohlergehen der Stadtbäume ist wiederum von einer ganzen Palette von Stressfaktoren bedroht. Generell gilt: «Je mehr Stressfaktoren ein Lebewesen ausgesetzt ist, umso anfälliger ist es für Krankheiten», so die Expertin. Von besagten Faktoren gibt es im Vergleich zum Wald in der Stadt zahlreiche. Beispiele dafür sind Abgase, winterliches Streusalz und Hundeurin, um nur einige zu nennen. Hinzu kommt, dass die Bäume in der Stadt zusätzlicher Hitze und Trockenheit ausgesetzt sind. Das könne bei den Bäumen physiologischen Stress auslösen. Ähnlich wie bei den Menschen sind dann auch die Bäume anfälliger für verschiedene Krankheiten, wenn ihr Organismus gestresst ist.

Auch unterirdisch braucht es Platz

Wer schon einmal einen Baumstrunk ausgegraben hat, weiss, wie umfangreich das Wurzelsystem eines Baums sein kann. Dieses widerspiegelt mindestens die Baumkrone. In vielen Städten haben die Bäume etwa acht Kubikmeter Wurzelraum zur Verfügung, wie Wilkes Allemann sagt. Das sei zu wenig. Ein junger Baum brauche rund 12 Kubikmeter. Je nach Alter und Grösse können manche ausgewachsene Bäume ihren Wurzelraum sogar bis auf weit mehr als 100 Kubikmeter ausdehnen.

Durch die vielen Leitungen, die unter der Oberfläche verlaufen, ist es entsprechend sehr schwierig, ausreichend Raum zu schaffen. «Das ist, als ob man Schuhgrösse 40 hat, aber nur Grösse 35 bekommt», veranschaulicht die Expertin. Zu wenig Platz kann sich negativ auf die Stabilität und vor allem die Vitalität der Bäume auswirken. Denn die Wurzeln dienen nicht nur der Verankerung, sondern nehmen auch Wasser aus dem Boden auf und versorgen die Bäume mit wichtigen Nährstoffen. In einigen Städten wie beispielsweise in Zürich gibt es deshalb Bestrebungen, den Wurzelraum auf 35 Kubikmeter zu erhöhen.

Die Expertin betont jedoch, dass ein Mangel an Wurzelraum nicht zwangsläufig bedeutet, dass ein Baum nicht leben kann und gefällt werden muss. Bäume versuchen ständig, sich anzupassen. Als Beispiel nennt sie einige Bäume, die beim Bahnhof Bern stehen. Dort gibt es kaum Raum und nur begrenzte Ressourcen, wie sie erzählt. Die Gesundheit der Stadtbäume hänge von verschiedenen Faktoren ab, die zusammenspielen.

Bauarbeiten setzen Bäumen zu

Dass die Gesundheit von Bäumen von verschiedenen Faktoren abhängig ist, bestätigen auch die Erfahrungen der Stadt Aarau. Demnach lässt sich nämlich feststellen, dass die Bäume durch die Klimaerwärmung allgemein gestresster und folglich anfälliger auf Krankheiten und Schädlinge sind, wie Dominik Staub, Leiter Stadtgrün, erklärt. Zudem führt die zunehmend starke Bautätigkeit immer wieder zu Schäden im Wurzelraum. Jedoch werden diese für Laien erst nach drei bis fünf Jahren sichtbar und werden folglich kaum mehr mit dem Auslöser in Verbindung gebracht.

«In der Klimaanpassungsstrategie und dem dazugehörenden Aktionsplan wird den Bäumen ein hoher Stellenwert zugeschrieben», so Staub. Dies erfordere nebst einer Strategie zur Steuerung des Bestandes und einer fachlich fundierten Bewirtschaftung vor allem einen umfassenden Schutz der bestehenden Bäume. «Es ist allgemein anerkannt, dass Stadtbäume erst ab dem 30. bis 40. Standjahr ihre volle Klima- und Ökoleistung erbringen können», erklärt Staub zudem. Aarau setzt daher nebst der sorgfältigen Sortenwahl bei Neupflanzungen auf Information, Sensibilisierung und Kontrollen bei Baubegleitungen.

Bäume als Teil der Stadtentwicklung

Laut Wilkes-Allemann gibt es zwar ergänzende Möglichkeiten wie die Begrünung von Dächern und Fassaden. Eine echte Alternative zu Grünräumen mit Bäumen gibt es jedoch nicht. Ihrer Meinung nach müssen die Planungen für solche Grünräume bereits in der frühen Phase der Stadtplanung integriert werden. Oft kommen diese Überlegungen erst spät oder es wird vergessen, was sich unter der Oberfläche befindet, wodurch sich herausstellt, dass die Bäume an gewissen Orten nicht richtig wachsen können.

Wie die Medienstelle der Stadt Baden schreibt, sind Bäume ein wichtiger Bestandteil der Stadtentwicklung. Aktuell wird an einem umfassenden Baumkonzept gearbeitet, das sowohl den Zustand der Bäume im öffentlichen als auch im privaten Raum erfasst und langfristige Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Baumbestände definiert.

Auch in der Stadtentwicklung der Kantonshauptstadt spielen Bäume eine Rolle. «Neben dem grossen Wert für die Biodiversität dienen Bäume auch der Hitzeminderung im Stadtgebiet. Hierzu ist es wichtig, bestehende Bäume gut zu pflegen und ihre Lebensbedingungen (zum Beispiel die Grösse der Baumgrube) zu verbessern», teilt Anna Borer, Co-Leiterin der Stadtentwicklung, mit. Die städtische Klimaanpassungsstrategie legt fest, wo künftig Bäume gepflanzt werden sollen. Besonders bei hitzeintensiven Strassen- und Wegabschnitten wird es zunehmend wichtiger, auf ausreichende Beschattung zu achten, wie Borer weiter erklärt. In Transformationsgebieten wie dem Telli Ost und Torfeld Nord wird bereits in der Planungsphase grosser Wert auf grosskronige Bäume mit hohem Biodiversitätsindex gelegt.

Quelle: ArgoviaToday
veröffentlicht: 19. September 2024 04:45
aktualisiert: 19. September 2024 04:45
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