Den Rücken entlang bis zum Po gestrichen: Patient belästigt KSA-Mitarbeiterin sexuell
Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW wurden 96 Prozent des Gesundheitspersonals bereits Opfer von sexueller Belästigung. Mehr als zwei Drittel der Betroffenen waren dabei physischen Übergriffen wie Berührungen, Küssen, Streicheln oder Umarmungen ausgesetzt. Aber auch anzügliche, taxierende Blicke, Anspielungen oder «zufällige» Berührungen mit sexuellem Bezug seien übergriffig, erklärte Rechtsprofessorin Brigitte Tag in einem Interview.
Auch im Aargau gibt es solche Vorfälle. Ende letzten Jahres ist eine Angestellte des KSA Opfer einer sexuellen Belästigung geworden. Ein heute 59-Jähriger musste wegen einer Infusionstherapie ins Spital. Dabei nahm ihn die Betroffene in Empfang und lief mit ihm gemeinsam zum Behandlungszimmer. Dabei forderte der Mann sie mehrfach auf, vor ihm zu gehen, wie es in einem Strafbefehl der Aargauer Staatsanwaltschaft heisst. Vor der Tür angekommen, fragte er nach ihrem Namen, worauf sie ihm ihren Vornamen sagte. Der 59-Jährige sagte daraufhin «schön» und strich ihr gleichzeitig mit der Hand den unteren Rücken entlang bis zu ihrem Po.
KSA nimmt sexuelle Belästigung ernst
Die Betroffene hat den Mann anschliessend angezeigt. Dieser wurde nun per Strafbefehl wegen sexueller Belästigung verurteilt und muss eine Busse von 300 Franken bezahlen. Dazu kommen Gebühren in der Höhe von 400 Franken.
Dem KSA sei die Thematik bekannt und sie nehmen diese sehr ernst, gibt Isabelle Barton-Wenzinger, Leiterin Public Affairs & Media Relations des KSA, gegenüber ArgoviaToday an. «Das bisher bestehende Angebot wird allerdings aktuell noch weiterentwickelt und professionalisiert.» Für die Themen Mobbing, Diskriminierung und sexuelle Belästigung steht Betroffenen ein Merkblatt und für Führungskräfte ein Leitfaden zur Verfügung.
Übergriffe werden untersucht
Es gibt interne und externe Anlaufstellen, dazu können sich Betroffene an eine Hotline wenden. Ausserdem bietet das KSA auf Anfrage auch Schulungen für Mitarbeitende und Führungspersonen zum Thema Aggression und Gewalt im Gesundheitswesen an, um zu sensibilisieren. «Die sexuelle Belästigung wird dabei als eine Form aggressivem Verhaltens verstanden», so Barton-Wenzinger.
Sobald Mitarbeitende einen Übergriff melden, wird die betroffene Person über ihre Möglichkeiten beraten. Allerdings seien die Massnahmen zu differenzieren, ob der Vorfall von Patienten, Angehörigen, Besucherinnen oder von Mitarbeitenden ausgeht, erklärt die Sprecherin weiter. «Geht das aggressive Verhalten von externen Dritten aus, suchen wir das Gespräch mit der betroffenen Person und leiten diejenigen Massnahmen ein, mit denen diese einverstanden ist. Massgebend ist immer das subjektive Empfinden der betroffenen Person. Steht die Aggressorin oder der Aggressor in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis, erfordert die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht das Ergreifen geeigneter Massnahmen.» Denkbar seien hier je nach Situation unter anderem HR-Massnahmen, Therapeutenwechsel, Verwarnungsschreiben oder Einreichen einer Strafanzeige, wie im obigen Fall, bis hin zu einem Haus- oder Arealverbot. In Notfallsituationen könne das KSA-Sicherheitspersonal oder die Polizei unterstützen.
Und welche Massnahmen gibt es bei den weiteren Aargauer Spitälern?
Die Hirslanden-Gruppe mit einem Spital in Aarau verfügt über einen «Leitfaden zum Schutz der persönlichen Integrität (insbesondere Schutz vor sexueller Belästigung) am Arbeitsplatz» sowie einen «Verhaltens- und Ethik-Kodex», wie Sprecher Claude Kaufmann ausführt. Darüber hinaus wurde ein Ethik-Komitee etabliert.
«Alle Mitarbeitenden, Studierenden, Assistierenden in ärztlichen Weiterbildungsstätten, Praktikantinnen und Praktikanten sowie auch unsere Partnerärztinnen und -ärzte haben die Möglichkeit, Verstösse gegen den Ethik-Kodex anonym zu melden und von der unabhängigen Ethik-Hotline Hilfe zu erhalten.» Meldungen an die Ethik-Hotline wegen Verstössen gegen den Ethik-Kodex sind jedoch selten. Betroffene können sich aber auch intern bei Vorgesetzten oder dem HR melden, sollten Grenzen überschritten worden sein. Es herrsche eine klare Nulltoleranz, betont Kaufmann. «Wir dulden keinerlei Diskriminierung, Belästigung oder jegliche Verstösse gegen den Ethik-Kodex.»
Das Kantonsspital Baden (KSB) hingegen gibt auf wiederholte Nachfrage an, dass sie sich nicht näher zum Thema sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung am KSB äussern wollen.