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Mordprozess Winznau: Das Opfer hat den späteren Täter sexuell missbraucht

Quelle: Tele M1 (Archivbeitrag vom 14.8.2024)

Mordprozess Winznau

Das Opfer hat den späteren Täter sexuell missbraucht

Am Mittwoch wird vor dem Amtsgericht Olten-Gösgen das Tötungsdelikt von Winznau vom September 2022 verhandelt. Aus der Anklageschrift und den ersten Befragungen werden Hintergründe bekannt – und ein mögliches Motiv.

In der Nacht vom 7. auf den 8. September 2022 kam in Winznau ein 60-jähriger Mann zu Tode, von Beruf Bestatter. Als mutmasslicher Täter wurde kurze Zeit später ein damals 26-jähriger Mann aus der Region Solothurn verhaftet. Am Mittwoch steht er in Olten vor Gericht, die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Mordes angeklagt.

Quelle: TeleM1 Beitrag vom 11.09.2022 (Archiv)

Warum hat der junge Rapper den Bestatter umgebracht? Der Prozess gibt darauf Antworten, wie der «Blick» berichtet.

Schläge und Pistolenschuss

Täter und Opfer haben sich offenbar schon länger gekannt. Gemäss Anklageschrift wurde das Opfer in jener Nacht kurz nach 5 Uhr getötet, indem der Täter auf sein Opfer eingeschlagen hatte, mit Händen und Füssen gegen Kopf und Oberkörper. Schliesslich habe der Täter mit einem Revolver auf den Unterkörper gezielt und abgedrückt. Gefunden worden sei die Leiche an der Aare-Böschung fast nackt, nur mit einem Abfallsack «bekleidet».

Die Tatwaffe gehörte dem späteren Opfer, dieses habe zuerst geschossen, sagte die Staatsanwältin am Rande des Prozesses. Erst danach behändigte der junge Mann die Waffe.

Der heute 28-Jährige befindet sich unter Auflagen in Freiheit, hat eine Therapie begonnen und wieder abgebrochen, ist arbeitslos und verbringt Zeit mit seinem Sohn. Einmal hat er gegen die Auflagen verstossen, indem er Drogen und Alkohol konsumierte.

Sexueller Missbrauch als mögliches Motiv

Als mögliches Motiv der Bluttat steht in der Anklageschrift, dass der Angeklagte von seinem späteren, homosexuellen Opfer während mehreren Jahren zu sexuellen Handlungen gezwungen worden sei – unter Einfluss von Drogen und Alkohol. Weil der ältere Mann fast die einzige Bezugsperson des jungen Rappers gewesen sei, habe dieser die Übergriffe über sich ergehen lassen, obwohl er heterosexuell sei.

Die Tötung streitet der Angeklagte nicht ab, will aber vor Gericht keine weiteren Aussagen dazu machen. «Es steht alles in den Akten». Auf Nachfragen der Richter sagt er, es sei «explosionsartig aus ihm herausgebrochen. Ich kann mir nicht erklären, wie, warum und wann. Aber die aufgestauten Emotionen haben sicher eine Rolle gespielt.»

Weitere Übergriffe auf Buben und junge Männer

Die Staatsanwältin spricht in ihrem Plädoyer von einem «emotionalen Abhängigkeitsverhältnis», in dem sich der Täter zum Opfer befunden habe. Es hätten sich auch andere jüngere Männer in der Wohnung von Paul T. aufgehalten, ist aus den Ausführungen zu schliessen. Der Mann habe Gratis-Cannabis zur Verfügung gestellt.

Zudem soll es bei zwei Buben im Schutzalter und weiteren jungen Männern ebenfalls zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.

Staatsanwältin fordert 16 Jahre

Aufgrund des Tathergangs und der Skrupellosigkeit ist die Tat laut der Staatsanwältin als Mord einzustufen. Sie fordert für den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren. Der Tat sei ein Streit zwischen dem Opfer und dem Beschuldigten vorangegangen. Der Angeklagte soll sein Opfer dann geschlagen und mit einer Pistole bedroht haben. Dabei musste das Opfer seine Kleider ausziehen und einen Abfallsack anziehen. Weil das Opfer seine Taten nicht habe gestehen wollen, habe der Beschuldigte auf ihn geschossen. Der Missbrauch sei aber kein Freibrief für eine Tötung.

Auch der Anwalt der Opferfamilie stuft das Verbrechen als Mord ein. Er verlangt zudem eine fünfstellige Genugtuungssumme.

Verteidiger: «Ein Drama»

Der Anwalt des Beschuldigten bezeichnet das Vorgefallene als «Drama». Das spätere Opfer habe seinem Klienten Unglaubliches angetan, ebenso anderen Geschädigten. Seit seinem 11. Lebensjahr habe sein Klient das spätere Opfer gekannt und sich wegen seiner Unsicherheit und dem jugendlichen Alter nicht gegen die Übergriffe gewehrt. «Wie kann man auf die Idee kommen, ein derart verletzbares Kind, das zu Hause Probleme hatte, zu sexuellen Handlungen zu zwingen?», sagte der Verteidiger.

Der junge Mann sei der «Sex-Sklave» des späteren Opfers gewesen, sagte der Verteidiger. «Der Mann hat mit meinem Klienten tun können, was er wollte. Und das tat er auch.» Er plädiert auf Totschlag, das ist die «mildeste» Variante einer absichtlich herbeigeführten Tötung. Wie viele Jahre Haft daraus resultieren, stellt der Verteidiger ins Ermessen des Gerichts.

Das Urteil wird am Freitag, 23. August, verkündet.

(mj/ova)

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Quelle: 32Today
veröffentlicht: 14. August 2024 10:13
aktualisiert: 14. August 2024 19:07