Assistenzärzte wehren sich gegen Weggang von Chefarzt Fandino – Branche läuft Sturm
Der Entscheid des Kantonspitals Aarau, die Zusammenarbeit mit dem Chefarzt Javier Fandino von heute auf morgen zu beenden, hat in der Fachwelt für Kopfschütteln gesorgt. «Absolut unverständlich» sagte etwa Philipp Taussky, stellvertretender Chefarzt an der Universität Utah, im Interview mit Radio Argovia. Er schrieb der KSA-Chefetage und dem Verwaltungsrat einen Brief mit der Bitte, diesen Entscheid nochmals zu überdenken.
Nun erhält Taussky Unterstützung innerhalb des Kantonsspitals Aarau. In einem Brief an die KSA-Geschäftsleitung fordern die Assistenzärztinnen und Assistenzärzte der neurochirurgischen Klinik ebenfalls, die Situation nochmals zu evaluieren. Der Brief liegt Radio Argovia vor.
Darin zeigen sich die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Prof. Javier Fandino schwer enttäuscht über den Entscheid. Zudem sei nur ein kleiner Teil direkt durch die Geschäftsleitung informiert worden. Einige Kollegen hätten es von Mitarbeitern aus anderen Spitälern oder aus den Medien erfahren.
Der letzte Woche verkündete Entscheid treffe nicht nur viele Patienten direkt, sondern auch die Assistenzärzte selber: «Unsere Ausbildung als Neurochirurginnen und Neurochirurgen, sowohl in der Forschung wie auch im klinischen Alltag, ist auf mehreren Ebenen untrennbar mit Professor Fandinos Tätigkeit an dieser Klinik verknüpft.» Durch diesen abrupten Entscheid stehen mehrere Teammitglieder plötzlich vor einer ungewissen Zukunft, heisst es im Schreiben weiter.
Javier Fandino kann nicht ohne erhebliche Einbussen im fachlichen sowie im menschlichen Bereich ersetzt werden
Die Assisenzärzte sind der Ansicht, dass Prof. Javier Fandino nicht ohne erhebliche Einbussen im fachlichen sowie im menschlichen Bereich ersetzt werden könne. Ein solch schwerwiegender Entschluss habe für Patienten und vor allem auch für die Assistenzärzte in Ausbildung einschneidende Veränderungen. Sie befürchten negative Auswirkungen für das Kantonsspital Aarau als Institution wie auch für die neurochirurgische Klinik. Fandino habe über zwei Jahrzehnte unzählige junge Menschen zu Neurochirurginnen und Neurochirurgen ausgebildet und die neurochirurgische Abteilung zu einer führenden Klinik auf sämtlichen Gebieten der modernen Neurochirurgie weiterentwickelt.
«Angesichts der aufgeführten Gründe ersuchen wir Sie dringlichst, und mit allem Nachdruck - insbesondere im Sinne der Zukunft der neurochirurgischen Klinik des Kantonsspitals Aarau - die Situation zu reevaluieren», heisst es am Schluss des Briefs.
KSA muss damit rechnen, nicht mehr die besten Assistenzärzte zu bekommen
Auch Philipp Taussky äussert ähnliche Bedenken. Der stellvertretende Chefarzt für Neurochirurgie an der Universität Utah hatte einen grossen Teil seiner Ausbildung zum Neurochirurgen unter Javier Fandino am KSA absolviert. Der Weggang von Fandino könne Auswirkungen auf das Kantonsspital Aarau als Ausbildungsplatz haben.
Taussky zu künftiger Ausbildung am KSA
Das Kantonsspital Aarau sei in der Schweiz immer sehr bekannt gewesen für eine sehr gute Ausbildung in der Neurochirurgie. «Wenn jetzt die Klinik instabil wird durch einen Weggang des Chefarztes, dann kommen die guten Assistenzärzte nicht mehr nach Aarau, um sich dort ausbilden zu lassen. Und wenn man keine guten Assistenzärzte mehr hat, dann kommen auch die guten Oberärzte nicht mehr und damit auch keine guten leitenden Ärzte.» Bis man so etwas wieder ändern könne, kann es gut und gerne zehn Jahre dauern, sagt Taussky weiter. Auch er hofft deshalb, dass die Leitung des Aarauer Kantonsspitals den schwerwiegenden Entscheid nochmals überdenke.
Die Branche läuft Sturm
Immer mehr Ärzte melden sich im Fall Fandino zu Wort. So auch Lars Flöter, Facharzt für Neurochirurgie am Kantonsspital Uri sowie bei der Privatklinik Lindberg. Er arbeitete ebenfalls mehrere Jahre am Kantonsspital Aarau und kann es nicht verstehen, dass das KSA mit Fandino eine solche Koryphäe der Neurochirurgie einfach weiterziehen lässt: «Vor allem in dieser schwierigen Zeit mit Operationsstaus lässt man kaum jemanden gehen, der nebst der Spitzenmedizin auch wirtschaftlich viel Umsatz reinholt. Und seine Freistellung kostet ja auch viel Geld», sagt Flöter gegenüber Medinside.
Auch für ihn sei Fandino der Partner für schwierige Fälle gewesen. Es gäbe nicht viele Neurochirurgen auf diesem Niveau, schon gar nicht in der Schweiz. Lars Flöter glaubt – wie auch Philipp Taussky – dass der Weggang Fandinos Auswirkungen auf den Leistungsauftrag hat: «Ich kann mir kaum vorstellen, dass das KSA den Leistungsvertrag als Zentrum der Spitzenmedizin ohne Javier Fandino behalten kann. Fehlt der Leistungsauftrag, dann müssten die Patienten in andere Spitäler verlegt werden.»