Aargauer Polizei darf Autos nicht ohne Anfangsverdacht durchsuchen
Der Schweizer war am 8. August 2023 kurz vor Mitternacht bei einer stehenden Verkehrskontrolle von der Kantonspolizei Aargau angehalten worden. Es gab einen Drogen- und Alkoholtest, der negativ ausfiel, wie aus dem am Dienstag publizierten Urteil des Obergerichts hervorgeht.
Die Kantonspolizei kontrollierte auch das Innere des Autos. Dabei fand sie im Ablagefach der Fahrertür einen Teleskopschlagstock, welcher der Lenker vorgängig ohne Bewilligung von Deutschland herkommend in die Schweiz geführt hatte. Der Schlagstock wies geschlossen eine Länge von 23,5 Zentimeter auf und geöffnet eine Länge von 55,5 Zentimeter.
Verurteilter wehrt sich
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau sprach den Schweizer im September 2023 per Strafbefehl wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz schuldig. Das Urteil: eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 110 Franken (insgesamt 4400 Franken) sowie eine Busse von 1100 Franken.
Der Mann wehrte sich mit einer Einsprache gegen den Strafbefehl. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Aarau sprach den 22-Jährigen von Schuld und Strafe frei. Der Richter kam zum Schluss, dass für eine Durchsuchung des Fahrzeugs eine rechtliche Grundlage gefehlt habe.
Die Staatsanwaltschaft zog den Freispruch ans Obergericht weiter und forderte eine Bestätigung des Strafbefehls. Beim Rechtsstreit ging es darum, ob der im August 2023 bei der Verkehrskontrolle im Fahrzeug des Beschuldigten entdeckte Teleskopschlagstock ein auf einer gesetzlichen Grundlage erhobenes und damit verwertbares Beweismittel darstellt.
Das Obergericht bestätigte den Freispruch des Mannes. Der Staat muss die gesamten Verfahrenskosten und das Honorar des Verteidigers des Beschuldigten bezahlen. Der sichergestellte Teleskopschlagstock wird vernichtet.
Ohne Verdacht keine Durchsuchung
Für die Durchsuchung des Fahrzeugs hätte es laut Urteilsbegründung des Obergerichts «einen Verdacht gebraucht, wobei ein solcher nicht vorlag». Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Polizisten das Fahrzeug durchsucht hätten, weil sie von einer Gefahr in Verzug ausgegangen seien.
Dies wäre laut Obergericht jedoch Voraussetzung, «dass die Handlung der Polizisten diesen Titel gerechtfertigt und damit rechtmässig erscheinen könnte». Es sei nicht ausreichend, dass später eine Waffe im Fahrzeug des Beschuldigten entdeckt worden sei.
Damit würde gemäss Obergericht jede Beweiserhebung, auch eine unzulässige «fishing expedition» (Beweisausforschung) gerechtfertigt, sofern sich dabei Beweise feststellen liessen. Der Umfang von Kontrollen durch die Polizei dürfe nicht beliebig ausgeweitet werden, schrieb das Obergericht in seinen Erwägungen. Im konkreten Fall erscheine die Fahrzeugdurchsuchung als «unverhältnismässig».
Das kantonale Polizeigesetz sieht unter dem Titel «Personenkontrolle und polizeiliche Anhaltung» vor, dass die Polizei in begründeten Fällen Personen zur Verhinderung oder Aufdeckung von Straftaten und zur Abwehr von Gefahren kontrollieren kann, wie das Obergericht festhielt. Aber eine «verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrolle ist nach aargauischem Recht nicht zulässig».
(Urteil SST.2024.62 vom 17.09.2024)
(sda)