Kritik an Solothurner Spenden-Firma: Unbezahlte Löhne und gefälschte Unterschriften
«So etwas habe ich noch nie erlebt. Es ist sehr erschreckend, dass so etwas überhaupt möglich ist», sagt Tiffany Torquet über die Firma aus Schönenwerd, für die sie mehrere Jahre gearbeitet hat. Die «Raise Together GmbH» sammelt in der Deutschschweiz Spenden für Wohltätigkeitsorganisationen.
Torquet arbeitete als Promoterin bei der Firma. Ihre Aufgabe war es, Passantinnen und Passanten zu überzeugen, dass sie wohltätige Institutionen finanziell unterstützen. Ein Job, der mit der Zeit immer härter wurde, wie sie gegenüber Radio 32 sagt. «Wir waren acht bis zwölf Stunden unterwegs pro Tag. Davon waren häufig drei bis vier Stunden nicht bezahlt – mit der Begründung, dass diese zum Arbeitsweg gehörten.» Aber nicht nur das: Im Auftrag der Chefetage mussten sie teilweise zu unlauteren Methoden greifen, wie sie sagt.
Mit illegalen Methoden Leute abgezockt?
Tiffany Torquet führt ein Beispiel an: «Der Geschäftsführer hat uns empfohlen, den Leuten zu sagen, sie sollen so oder so ihre IBAN-Nummer auf dem Spendenformular eintragen und sich dann zu Hause überlegen, ob sie wirklich spenden möchten.» Damit bei der Bank dann auch eine Zahlung ausgelöst werden kann, braucht es eine Unterschrift der Spenderinnen und Spendern auf dem Formular.
Diese Unterschriften seien später in mehreren Fällen von der «Raise Together GmbH» eingetragen worden, ohne dass die Betroffenen die Erlaubnis dafür gegeben hätten. Dadurch seien Gelder an die Firma geflossen, die so gar nicht autorisiert worden seien. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, dürfte das zumindest den Tatbestand der Unterschriftfälschung erfüllen.
Gelder veruntreut?
Damit nicht genug: Teilweise kursierten Gerüchte, dass Spendengelder nicht immer zweckgemäss verwendet wurden. Torquet kenne mindestens einen Fall, in welchem es hiess, dass von der «Raise Together GmbH» gesammelte Gelder nie bei der Institution angekommen sei, die den Auftrag für die Sammelaktion erteilt hatte. Die Spenden seien stattdessen in die Taschen des Geschäftsführers geflossen.
Kritik zur Firma aus Schönenwerd ist auch Online zu finden, etwa unter den Google-Rezensionen. Auch hier ist etwa die Rede von «Abzocke». Zudem hat sich gegenüber Radio32 auch ein ehemaliger Mitarbeiter mit Leitungsfunktion geäussert. Er will anonym bleiben, bestätigt auf Anfrage jedoch, dass der Geschäftsführer Gelder, die im Rahmen von Spendensammlungen eingenommen worden sind, für sich beansprucht hat.
Löhne und Sozialleistungen nicht bezahlt
Tiffany Torquet arbeitet seit Ende 2023 nicht mehr bei der «Raise Together GmbH». Trotzdem wartet sie immer noch auf die Auszahlung der beiden letzten Monatslöhne. Dazu kämen noch Ausstände von Provisionen aus früheren Zeiten. «Wegen des fehlenden Lohns konnte ich die Miete für meine Wohnung nicht mehr zahlen.» Sie habe die Wohnung deshalb verloren. Das sei eine traumatisierende Erfahrung gewesen und habe ihr Vertrauen in die Menschen erschüttert, sagt die 25-jährige Zürcherin weiter.
Sie habe mehrfach versucht, den Geschäftsführer wegen der fehlenden Gelder anzusprechen. Dieser sei aber für solche Anliegen nicht erreichbar gewesen. Das bestätigt auch der andere, bereits erwähnte ehemalige Mitarbeiter, der sich anonym äussert. Er erzählt, dass die Gehälter der Mitarbeitenden sehr willkürlich ausgezahlt worden seien, und dass der Geschäftsführer auch hier einen Teil des Geldes in die eigene Tasche gesteckt habe. Es seien aber nicht nur die Löhne nicht bezahlt worden, auch Sozialversicherungsbeiträge für die Mitarbeitenden seien nicht entrichtet worden.
Staatsanwaltschaft hat ermittelt, Konkursanzeige im Amtsblatt
Die Website der «Raise Together GmbH» wird gerade «umgebaut», heisst es. Der Geschäftsführer war für eine Stellungnahme mehrfach nicht erreichbar. Bei den Behörden ist er aber bekannt. Die Solothurner Staatsanwaltschaft bestätigt ein Strafverfahren gegen ihn in Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit, das noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Dies habe aber nichts mit der «Raise Together GmbH» zu tun, heisst es auf Anfrage weiter.
Brisant: Der betroffene Geschäftsführer hat schon in der Vergangenheit zwei andere Firmen mit ähnlichem Geschäftsmodell in der Region geführt. Mit seiner aktuellen Firma, der «Raise Together GmbH», beschäftigt sich nun das Konkursamt. Im Amtsblatt ist eine vorläufige Konkursanzeige veröffentlicht worden. Das bedeutet, dass die Firma verschuldet ist – der Geschäftsführer aber offenbar auch von den Behörden bisher nicht erreicht werden konnte.
Firma sucht weiter nach Mitarbeitenden
Tiffany Torquet hat Ende 2023 ihren Job bei der «Raise Together GmbH» gekündigt. Die anderen verbleibenden Mitarbeitenden hätten es ihr gleichgetan. Über Social Media hat die Firma in der Vergangenheit schon regelmässig nach neuen Promotorinnen und Promotoren gesucht – auch aktuell ist wieder ein Stelleninserat zu finden.
Eine Rückmeldung auf ihre Kündigung habe sie aber keine bekommen, so Torquet. Auf rechtliche Schritte gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber habe sie verzichtet, weil andere ehemalige Mitarbeitende bereits den Rechtsschutz eingeschaltet hätten. Sie selber habe einen neuen Job im Verkauf gefunden und finanziell habe sie sich auch etwas erholen können. «Es ist erschreckend, dass so etwas überhaupt möglich ist. Ich habe aus der ganzen Sache viel gelernt und bin jetzt auf einem guten Weg.» Andere Leute will Torquet aber vor den Machenschaften ihres Ex-Arbeitgebers warnen.
Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.