Die 10er Jahre - Ein Jahrzehnt geprägt von sozialen Bewegungen
Wir haben mit einem der aktuell renommiertesten Politologen gesprochen: Michael Hermann, Leiter des Meinungsforschungsinstitut «sotomo».
Interview mit Michael Hermann
Strassenproteste und politischer Widerstand waren ein Wendepunkt im letzten Jahrzehnt. In den Nuller Jahren hat man davon gesprochen, dass die Jugend immer apolitischer und konservativer werde. Jedoch ist das keine unerwartete Entwicklung, denn Politisierung kommt, laut Hermann, immer in Wellen. Die 70er und 80er Jahre waren geprägt von grossen sozialen Bewegungen, wie die Umwelt- und Friedensbewegung. Die 90er Jahre waren eher neoliberal ausgerichtet und auch die Nuller Jahre kann man als konservatives Jahrzehnt betiteln. Der Wandel der letzten 10 Jahre ist eine Reaktion darauf. Die Jungen merken, dass sie etwas ändern müssen, denn die Erwachsenen werden es nicht tun. Das Spannende daran ist, dass auch die ältere Generation positiv auf den Widerstand reagiert. Man kommt weg von postmateriellen Werten, wie Sicherheit und Materielles hin zu linkeren und ökologischeren Werten.
Diese bewegte Zeit wird auch wieder abflachen. Hermann erklärt, dass wenn man Veränderungen erreicht, braucht es eine Weile bis sich die Masse daran gewöhnt. Mit der Zeit wird aber auch Neues zur Normalität und dies führt automatisch zu einer Entpolitisierung. So wird beispielsweise das Klimathema bleiben, während die Bewegung abflachen wird.
Vom Jahrzehnt als Ganzes bleibt anfangs der Aufstieg des Rechtspopulismus. Natürlich sind auch der Brexit und die Wahl von Donald Trump einschneidende Ereignisse, die uns in der Schweiz wachgerüttelt haben. Die späten 10er Jahre werden sicher mit der Umwelt und der MeToo-Bewegung in Verbindung gebracht werden. Als Ganzes wird das Jahrzehnt, als Jahrzehnt geprägt von sozialen Bewegungen, ähnlich wie die 70er Jahre, in die Geschichte eingehen.