«Trauen uns nicht mehr in den Wald» – weitere Zeuginnen beschuldigen Aargauer Ex-Grossrat
Der heute 55-Jährige war im Juli 2022 von der Kantonspolizei Solothurn an der Aare in Erlinsbach festgenommen worden. Patrouillen waren dort unterwegs, nachdem es über mehrere Jahre immer wieder Meldungen gegeben hatte, dass sich ein unbekannter Mann im solothurnischen Niederamt oberhalb von Aarau im Naherholungsgebiet nackt gezeigt und exhibitionistische Handlungen vorgenommen habe. Am Montagvormittag haben mehrere Zeuginnen gegen den Mann ausgesagt.
Minderjährige Mädchen im Wald bedrängt
Zwei Mädchen, die zum Zeitpunkt der Taten im Sommer 2022 erst 15 Jahre alt waren, hatten den Mann beim Nacktbaden in Erlinsbach gesehen. Sie hätten sich zuerst «nichts dabei gedacht», dies komme dort vor, sagten sie vor Gericht.
Dann sei der Angeklagte aber in die Nähe gekommen und habe wenige Meter von ihnen entfernt masturbiert, das sei «gruusig» gewesen. Als sie gehen wollten, sei er ihnen gefolgt. Die beiden Freundinnen flüchteten auf ihren Trottinetts.
Frau berichtet über Angriff im Wald
Eine ältere Frau ging im Mai 2018 auf einen Spaziergang durch einen Wald an der Aare in Obergösgen, als ihr ein nackter Velofahrer entgegenkam. «Es war ziemlich warm, ich dachte, vielleicht geht er baden», sagte die Frau vor Gericht aus. Der Velofahrer habe sie dann, «mit der Hand an seinem Geschlecht», in ein Gespräch verwickeln wollen und sei ihr, mit dem Velo auf seiner Seite, nachgerannt.
Schliesslich habe der Nackte sie mit dem linke Arm von hinten gepackt und sie mit der rechten Hand betastet, auch an der Brust. Sie habe sich gewehrt, indem sie ihm ihr Jacke ins Gesicht geschlagen habe. «So, jetzt können Sie es bei der Polizei melden», habe der Mann dann gesagt und sei weggegangen.
Seit dem Vorfall gehe sie nicht mehr alleine durch den Wald. Auch ein weiteres Opfer, eine jüngere Frau, sagte, sie sei seit dem Vorfall nie mehr am Ort des Vorfalls an der Aare gewesen und gehe nicht mehr alleine im Wald spazieren.
Schöne Füsse küssen
Eine andere ältere Frau, die mit dem Hund spazieren ging, beschrieb, wie der Mann sie nach der Zeit gefragt habe und ob es sie störe, dass er nackt sei. Er habe ihr Komplimente für ihre schönen Füsse gemacht und gefragt, ob er die Füsse küssen dürfe. Er habe sie dann an der Brust angefasst. Sie wehrte sich. Der Hund habe gebellt.
Sie sei nicht sicher, ob der Angeklagte im Gerichtssaal der Mann sei, der sich im Juni 2020 vor ihr entblösst habe, sagte ein Opfer am Dienstag, das damals 15-jährig war. Eine Skimaske habe das Gesicht des Täters verdeckt. «Ich dachte zuerst, er wolle sich damit gegen Corona schützen.» Als der Mann seine Badehose ausgezogen habe, sei sie davongerannt.
Eine ältere Frau, die den Nackten 2018 auf einem Hundespaziergang traf, war sich jedoch sicher: «Er hatte damals keinen Bart, aber er ist es». Der Mann habe sie ein Jahr später wieder angegangen. «Er hat zuerst wieder nach der Zeit gefragt. Ich hatte ein Déjà-vu.» Als sie ihr Telefon zur Hand genommen habe, um ihn zu fotografieren, sei er davongelaufen, sagte die Frau. Sie übergab dem Gericht ein Foto, das den Nackten von hinten zeigt.
23 Vorfälle mit 35 Betroffenen
Dem ehemaligen Aargauer Mitte-Grossrat wird neben mehrfachem Exhibitionismus auch mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern vorgeworfen, weil manche der Opfer zwischen 13 und 15 Jahren alt waren.
Von den 23 Vorfällen betroffen waren laut Anklageschrift 35 Frauen und Mädchen. Sie waren alleine, zu zweit oder zu dritt im Naherholungsgebiet an der Aare unterwegs. Rund die Hälfte der Opfer hat auf eine Privatklage verzichtet, die andern verlangen zum Teil eine Genugtuung von bis zu 8000 Franken, wie aus der Anklageschrift hervorgeht.
Fluchtversuch und falsche Angaben
Der Beschuldigte war – nach kurzer Festnahme für weitere Abklärungen – unter Ersatzmassnahmen wieder entlassen worden. Laut Staatsanwaltschaft ist er teilweise geständig. Angeklagt ist er wegen 26 Handlungen zum Nachteil von 35 Mädchen und jungen Frauen, im Zeitraum von 2017 bis 2022. Das jüngste Opfer war erst 13 Jahre alt.
Weitere Anklagepunkte sind Hinderung einer Amtshandlung sowie Irreführung von Behörden und Beamten. Dem Mann wird vorgeworfen, dass er bei der Festnahme im Sommer 2022 vor der Polizei zu fliehen versucht und falsche Angaben zu seiner Person gemacht haben soll.
Für den Prozess sind zwei bis drei Verhandlungstage vorgesehen, das Urteil soll Mitte Dezember bekannt gegeben werden. Der Mann, der bei der Mitte-Partei aktiv war, gab Anfang dieses Jahres anonym ein Interview bei Tele M1. Er sprach damals nicht über die Tat, erzählte aber, wie es ihm mit der Anklage gehe.
(sda/red)
Quelle: Tele M1 / Daniel Arnold / ArgoviaToday / Severin Mayer
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(sda/maf)